In der Übersicht
Von den Flüchtlingen der bolschewistischen Revolution und aus NS-Deutschland in der Zwischenkriegszeit über die «Displaced Persons» des Zweiten Weltkrieges bis hin zu den politischen Entwurzelungen des Kalten Krieges; das kurze 20. Jahrhundert gilt in der Geschichtswissenschaft gemeinhin als das «Jahrhundert der Flüchtlinge». Die Umbruchsphase zeichnete sich allerdings nicht nur durch das nie dagewesene Ausmass an Flucht und Vertreibung aus: Sie war begleitet durch die neuartige Herausbildung eines grenzüberschreitenden Regimes von Hilfsorganisationen, das sich der als «Problem» umfassten Flüchtlingsbevölkerung anzunehmen und sie zu verwalten ersuchte. Das Seminar nimmt den institutionellen Rahmen der europäischen Flüchtlingshilfe zwischen 1918 und 1989 genauer in den Blick. Im Zentrum stehen die inter- und transnationalen Praktiken privater, halbstaatlicher und intergouvernementaler Hilfswerke im Umgang mit entwurzelten Menschen: Wie entwickelte sich die Flüchtlingshilfe unter Akteurinnen und Akteuren wie dem Völkerbund oder dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zu einem internationalen Anliegen? Wie gestaltete sich die vermehrt vernetzte Zusammenarbeit und Wissensproduktion zwischen ihnen? Was war das darin zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen Asyl und Humanitarismus? Welche Rolle spielten entwurzelte Menschen selbst in diesen transnationalen Prozessen? Dies sind nur einige der Fragen, die anhand von aktueller Forschungsliteratur, publizierten Primärquellen und Archivmaterial genauer beleuchtet werden.